10 1 1 1 1 1 1 1 2 3 4 Aus dem Leben unserer Vögel. Lektion 1. Bekannte Vögel. Ich möchte wissen, wie viele Vögel ihr dem Aussehen nach kennt, und was ihr über ihre Nester und ihre Lebensweise wißt. Es gibt zwischen drei- bis vierhundert verschiedene deutsche Vögel, und sehr wenige Leute kennen sie alle. Aber die an irgend einem Orte gewöhnlich vorkommenden Vögel kann man in einem Jahre ohne große Mühe sämtlich kennen lernen. Später mag man sich dann nach denen umsehen, die seltener vorkommen. Am besten wird so angefangen, daß man alle Vögel aufschreibt, die man sicher kennt, und angibt, woran man sie erkennt. Es ist wohl nicht möglich z. B. ein Rotkehlchen mit seiner roten Brust, seinem rundlichen kleinen Körper und seinen braunen Flügeln zu verkennen. Die Brust des Weibchens ist weniger rot und die der Jungen überhaupt nicht. Aber wenn man die letzteren mit den Alten zusammen gesehen hat, wird man sie bald an ihrer Gestalt erkennen. Aber der Buchfink hat auch eine rote Brust. Wie kann man ihn nun von einem Rotkehlchen unterscheiden? Die Brust des Finken ist mehr braunrot als die des Rotkehlchens, und selbst in einiger Entfernung kann man ihn an den weißen Bändern auf seinen dunklen Flügeln und den gelben Spitzen, die einige Federn haben, erkennen. Dann ist sein Körper länger, und er bewegt sich anmutiger als das Rotkehlchen; auch das laute „rüip, pink, pink“, das er ausstößt, wenn man sich seinem Neste nähert, sagt uns sofort, wer er ist. Die Lerche erkennt man an ihrem schlanken braunen Körper und der weißgefleckten Kehle sowie an der Art und Weise, wie sie aufsteigt, wenn sie ihr liebliches Lied ertönen läßt. Der gemeine Grünspecht ist leicht an seinen glänzenden Farben, seinen sonderbaren Füßen und dem steifen Schwanz zu erkennen, den er gebraucht, um an den Bäumen hinaufzuklettern. Und obgleich der Kleiber (auch „Spechtmeise“ genannt) auf ähnliche Weise klettert, würde man ihn doch niemals für einen Specht halten, denn er ist nicht größer als ein Sperling und hat einen kurzen Schwanz, blaugraue Flügel und eine rötlich-gelbe Brust. Außerdem kennt ihr wohl die gurrende Holztaube, die schwatzende Elster, den hoch in die Luft steigenden Habicht mit dem gebogenen Schnabel und die mit flaumigem Gefieder bedeckte Eule. Und ihr würdet mir wahrscheinlich noch viele andere nennen können. Die meisten Vögel, die ihr kennt, pflegen das ganze Jahr bei uns zu bleiben. Aber nicht alle tun dies. Der Segler (Turmschwalbe) beginnt schon Ende Juli nach dem Süden zu ziehen, und die Hausschwalbe und Mauerschwalbe folgen im Oktober. Wenn sie fort sind, kommen Schwärme von Krammetsvögeln aus dem Norden und fressen von den roten Beeren der Eberesche und von den schwarzen Holunderbeeren. Die Rauchschwalbe und die Haus- oder Mehlschwalbe sind einander sehr ähnlich, und da sie zusammen kommen und gehen, so würde es schwer sein, sie auseinander zu halten, wenn man nicht daran denkt, daß die Rauchschwalbe eine braunrote Stirn und Kehle und unter dieser einen tiefdunkelblauen Streifen quer über die Brust hat, und daß die Gabelihres Schwanzes länger ist als bei der Hausschwalbe. Man kann sich das ganze Jahr hindurch damit beschäftigen, die Vögel zu beobachten, darauf zu achten, wann sie kommen und gehen, was für Nahrung sie zu sich nehmen, wie sie fliegen, ob sie am Morgen oder am Abend singen, und wo sie ihre Nester bauen. Viele Landleute und Gärtner schießen die kleinen Vögel, weil sie ihr Getreide und andere Sämereien fressen; leider aber auch sehr viele Vögel, die sich hauptsächlich von Insekten nähren. Man sollte die letzteren kennen, weil sie dadurch sehr nützlich sind, daß sie Ohrwürmer und Raupen, Larven und Schnecken vertilgen. Wenn man einmal in der Morgenfrühe beobachtet hat, wie eine Drossel ein Schneckenhaus gegen einen Stein schlägt, um die Schnecke herauszubekommen, so wird man sagen müssen, daß sie ein guter Gärtner ist, und ihr einige Früchte im Sommer nicht mißgönnen. Auch die Nester und die jungen Vögel sind zu beobachten. Man braucht dabei die Nester nicht auszunehmen oder den Vögeln ihre Eier zu rauben. Viel mehr lernt man dadurch, daß man Blätter und Zweige vorsichtig zurückbiegt und in das Nest sieht. Denn so kann man oft wiederkommen und beobachten, wie die Jungen auskriechen, und wie sie wachsen. Wenn man vorsichtig ist, den Busch nicht heftig bewegt und die Eier nicht anfaßt, wird die Mutter sie nicht verlassen. Im letzten Jahre baute ein Drosselpärchen sein Nest in einer Hecke neben einem Fußwege, wo fortwährend Leute vorbeigingen. Aber obwohl ich oft hinging und es betrachtete, zog die Mutter ihre vier Kleinen alle auf. Sie pflegte ruhig auf dem Neste sitzen zu bleiben, wenn ich hineinsah, während das Männchen auf einem ganz in der Nähe stehenden Baume sang. Mache sechs Vögel ausfindig, die sich in der Nachbarschaft befinden und beschreibe sie. Lektion 2. Der Gesang der Vögel. Vögel singen, wenn sie sich wohl befinden, und kreischen, wenn sie erschreckt werden, gerade wie Kinder. Nur hat jeder von ihnen einen ihm eigentümlichen Gesang. Man kann es gleich merken, wenn die kleinen Singvögel sich wohl fühlen; denn jeder von ihnen trillert sein fröhliches Lied, während er auf einem Baumzweige oder auf einer Hecke sitzt. An frühen Frühlingsmorgen kann man sie fast vor Tagesanbruch im Garten singen hören. Zuerst hört man ein leises Zirpen und Zwitschern, als ob die Vögel sich guten Morgen wünschten und ihre Kehlen erprobten. Wenn dann die Sonne aufgeht, so ertönt heller Gesang. Rotkehlchen, Drosseln, Amseln, Finken und Zaunkönige singen lustig darauf los, und viele andere kleine Vögel stimmen ein. Wenn sie alle zusammen singen, kann man nicht leicht das Lied des einen von dem des anderen unterscheiden, selbst das der Drossel nicht, obwohl sie am lautesten und am hellsten von allen singt. [Illustration: Drossel mit Nest. IV. 1. ] Dann fliegen sie fort, um sich ihr Frühstück zu suchen, und wenn nun der Tag weiter vorrückt, kann man sie einzeln hören, auf die Töne jedes Gesanges achten, und, wenn man leise heranschleicht, sehen, wie die Kehle des Vogels anschwillt und erzittert, wenn er die Töne in ihrem Innern bildet. Es ist nicht leicht, niederzuschreiben, was ein Vogel singt, denn es ist mehr ein Flöten und Pfeifen, es sind keine Worte darin. Aber man hat oft versucht ihr Lied in Worten auszudrücken. Horch auf den Gesang der Drossel! In ihrem melodienreichen Liede hörst du stets einige flötende Töne, die zwei- bis viermal wiederholt werden. Ihr Lockruf klingt wie ein heiser pfeifendes „zip, zip“, und ihr Angstruf ist ein gellendes „dack, dack“. Der hübsche Goldammer mit seinem goldgelben Kopfe singt im zeitigen Frühjahr sein einfaches Liedchen und tut dies bis spät in den Herbst hinein. Der kleine Weidenzeisig ruft deutlich und klar sein „hüid, hüid“. Auch der Ruf des Kuckucks ist so bekannt, daß jedes Kind ihn nachahmen kann, ebenso wie den wie „huuh, huu, huh“ klingenden Ruf der Hohltaube. Wenn die Tage heißer werden, singen die Vögel weniger. Sie sitzen in den Zweigen der Bäume oder in den Hecken im Schatten der Blätter oder hüpfen im Gehölz umher. Wenn dann der Abend kommt und lange Schatten über das Gras huschen, sieht sich jeder Vogel nach seinem Abendessen um. Ist er gesättigt, so singt er befriedigt sein Abendlied, ehe er schlafen geht. Was ist das für ein Konzert! Finken, Meisen, Sperlinge, Zaunkönige, Rotkehlchen und Buchfinken, alle singen zugleich. Und über ihnen allen schwebt das Lied der Drosseln und Amseln, das Girren der wilden Tauben und das Krächzen der Krähen, wenn sie von den Feldern heimfliegen. Wie die Drosseln, außer den Lerchen, die ersten waren, die am Morgen anfingen, so sind sie die letzten, die am Abend aufhören, und oft singt eine Drossel noch weiter, wenn schon alle anderen Vögel lange still geworden sind. Und endlich scheint alles zur Ruhe gekommen zu sein. Aber nein! Plötzlich hört man im Mai oder Juni einen süßen Ton, wie den einer Flöte, sanft aus verschiedenen Teilen der Gehölze erschallen. Es ist die Nachtigall, die im warmen Sommer fast die ganze Nacht hindurch singt. Sie singt auch am Tage, aber ihre Stimme ist so weich, daß sie oft von dem lauteren Gesang der anderen Vögel übertönt wird. In der Stille der Nacht aber kann man ihr süßes Lied hören, das mit einer Reihe leise einsetzender Flötentöne beginnt, die allmählich stärker und lauter werden und mit höheren Trillerlauten enden. Wer einmal der Nachtigall Gesang gehört hat, vergißt ihn wohl niemals wieder. Im Frühling singen die Vögel am meisten; denn dann bauen sie ihre Nester, und das Männchen singt dem Weibchen etwas vor, während dieses beim Bau beschäftigt ist oder auf den Eiern sitzt. Man kann ein Rotkehlchennest manchmal dadurch ausfindig machen, daß man das Männchen beobachtet, wie es singend auf einem Zweige in der Nähe sitzt. Die meisten haben wohl auch schon eine männliche wilde Taube gesehen, wie sie dasitzt, ihre Kehle aufbläst und girrend und sich verbeugend nach dem Weibchen auf dem Neste schaut; denn Tauben machen sich das ganze Jahr hindurch den Hof. -- Wenn der weibliche Vogel auf den Eiern sitzt, singt das Männchen aus Freude, und wenn die Jungen ausgebrütet sind, lehrt es sie sein Lied. Singvögel haben sehr zarte Kehlen. Sie haben Muskeln, die wie die Saiten einer Geige schwingen, und die jungen Vögel müssen lernen, diese Muskeln zu bewegen. Es ist eigenartig anzuhören, wenn eine junge Amsel oder Drossel zu singen anfängt. Zuerst kommt eine Note, dann zwei oder drei. Die Töne sind nicht immer richtig, aber sie versucht es wieder und wieder und lernt so nach und nach das Lied des Vaters. Höre auf das Lied der Rotkehlchen, Drosseln, Amseln, Lerchen, Nachtigallen, Buchfinken und anderer und versuche, es mit Pfeifen nachzuahmen. Lektion 3. Die Nester der Vögel. Wenn ihr wissen wollt, wie sinnreich die Vogelnester gebaut sind, so solltet ihr einige sammeln, die die Vögel verlassen haben, oder aus welchen die jungen Vögel fortgeflogen sind. Das Nest einer Hecken-Braunelle wird man in manchem Weißdornbusch finden, und obwohl es ein einfaches Nest ist, so werdet ihr doch bald finden, wenn ihr es auseinanderreißt, daß ihr es nicht so gut wieder zusammensetzen könnt, wie es der Vogel gemacht hat. Das Nest eines Buchfinken ist viel feiner geflochten. Ihr werdet sehr wahrscheinlich eins in den Apfelbäumen im Obstgarten finden. Es ist aus trocknem Gras und Moos gebaut, die mit Wolle zu einer Art Tasse verwoben sind, und ist mit Haaren und Federn ausgepolstert. An der Außenseite wird der Vogel wahrscheinlich Stücke von grauen oder weißen Flechten angebracht haben. Flechten sind papierartig aussehende Pflanzengebilde, die an Apfelbäumen wachsen und von Kindern graues Moos genannt werden. Die hineingewebten Stücke helfen dazu, das Nest im Apfelbaume zu verstecken. Wenn der Buchfink in einer grünen Hecke baut, nimmt er statt der Flechten oft grünes Moos. Nun versuche, ein Drosselnest zu finden, vielleicht in einem Eichenbusche oder einer Tanne. Es ist groß und ganz fest, nicht weich wie das der Hecken-Braunelle. Denn die Drossel pflastert das Nest im Innern mit Erde oder Kuhdünger oder verfaultem Holze aus, bis es fast so hart ist wie die innere Seite einer Kokosnußschale. Wenn ihr diese Nester angesehen habt, werdet ihr wünschen, im nächsten Frühlinge eins bauen zu sehen. Aber dies ist nicht so leicht. Denn die Vögel versuchen, die Wiegen ihrer Kleinen zu verstecken, und lieben es nicht, zu bauen, wenn irgend jemand in der Nähe ist. Krähen sind am leichtesten zu beobachten, denn sie bauen in hohen Bäumen und sind daher nicht scheu. Man kann sehen, wie sie mit Reisern im Schnabel dahinfliegen und Erde und Lehm herbeitragen, um damit das Nest auszupolstern. Manchmal kann man beobachten, wie alte Krähen am Krähenhorst zurückbleiben, um Reiser aus den Nestern der jungen Krähen zu stehlen, während diese fort sind, anstatt solche für sich selbst zu suchen. Die Vogelnester haben nicht alle die gleiche Form. Die Lerche baut ihr Nest hinter einen Grasbüschel oder in eine Furche auf dem Felde. Der Kiebitz, dessen Ruf ihr so gut kennt, legt einige Grashalme oder Binsen an einen geeigneten Platz der sumpfigen Wiese. Seine Jungen laufen umher, sobald sie aus dem Ei kriechen. Die Rauchschwalben bauen ihre Nester aus Stroh und feuchter Erde an das Sparrenwerk der Scheunen und Ställe oder unter die Simse der Schornsteine in der Form eines flachen Beckens und kleiden sie mit Federn aus. Aber die Hausschwalben bauen unter Dachtraufen und stellen ihre Nester aus Lehm und feuchter Erde her, die sackförmig an die Wand geklebt werden, mit nur einem kleinen Loch am oberen Ende. Es ist spaßig zu sehen, wenn die Schwalbe ihren Kopf in das Nest steckt, um die Jungen zu füttern, und der Schwanz hinten heraussteht. Der Specht hat als Nest ein Loch in einem Baume und legt es mit Holzspänen aus. Der Kleiber sucht sich gleichfalls ein Loch in einem Ast und belegt es mit Rindenstücken und trockenen Blättern. Wenn die Öffnung zu groß ist, mauert er sie mit Lehm zu und läßt nur ein kleines Loch frei; deshalb wird er „Kleiber“ genannt. Krähen und Tauben bauen grobe Nester. Die Krähe baut das ihrige aus Reisern und Rasen und kleidet es mit Moos und Gras aus. Die Taube baut ihr Nest so locker, daß die Eier beinahe hindurchgleiten. Die kleinen Singvögel, wie die Drossel, die Nachtigall und das Rotkehlchen bauen hübsche tassenförmige Nester. Die Rohrsänger bauen ein Nest um zwei oder drei Schilfstengel oder andere Pflanzen in der Nähe des Wassers. Es ist aus Grashalmen gemacht und mit Wasserpflanzen ausgepolstert. Der Zaunkönig, die langschwänzige Meise und der kleine Weidenlaubsänger bauen kugelförmige Nester mit einem Loch an einer Seite. Der letztere polstert das seinige mit einer schönen, weichen Federdecke aus. [Illustration: Rohrsänger mit Nest.] Zaunkönige bauen an allen möglichen sonderbaren Plätzen, in Mauern und Bäumen, in Felsenspalten, in Hecken und an Flußufern. Wenn man sich in der Nähe eines Nestes, in das der Zaunkönig seine Eier gelegt hat, umsieht, so wird man oft einige ganz gleich gebaute Nester in der Nähe finden, die aber nicht mit Federn ausgepolstert sind. Sie werden meist nur von männlichen Vögeln bewohnt, denen sie als Schlafnester dienen. Genaueres aber, weshalb die Vögel sie bauen, wissen wir nicht. Vielleicht findet ihr es einmal heraus, wenn ihr aufpaßt. Der kleine Weidenlaubsänger (Weidenzeisig) versteckt sein Nest in Hecken oder an Ufern, und die weißköpfige Schwanzmeise baut gern in dichte Sträucher und Hecken. Man beobachtete einmal zwei Zaunkönige, die ihr Nest in einem Wacholderbusch bauten. Sie fingen um sieben Uhr morgens an. Das Weibchen brachte Blätter von einer Linde. Es legte ein Blatt in die Gabelung zweier Zweige und die anderen darum herum. Dann holte es mehr. So ging es den ganzen Tag; es holte Blätter und webte sie zusammen mit Moos, und inzwischen sang ihr das Männchen aus der Spitze des Busches sein Lied. Gegen sieben Uhr abends hatte es die Außenseite des Nestes fertig in der Form eines Balles mit einem Loch in der einen Seite. Am nächsten Tage fingen die beiden Vögel um halb vier Uhr morgens an, zusammen zu arbeiten. Sie arbeiteten acht Tage lang und brachten Moos und Federn herbei. Als sie fertig waren, bildete das Nest eine feste kleine Kugel, im Innern mit einer dicken Schicht von Federn ausgepolstert, damit die winzigen Kleinen warm darin liegen könnten, wenn sie ausgebrütet wären. Dann legte das Weibchen fünf kleine weiße Eier mit roten Punkten und brütete 14 Tage, während das Männchen ihm etwas vorsang und ihm Insekten zur Nahrung brachte. Untersuche Nester. Von Lehm gebaute -- Rauchschwalbe, Hausschwalbe. Grob gewobene -- Haussperling. Tassenförmige -- Hecken-Braunelle, Fink. Gewobene und mit Lehm ausgelegte -- Drossel. Lektion 4. Vogeleier. Wenn ihr die Nester verschiedener Vögel betrachtet habt, so werdet ihr wahrscheinlich den Wunsch haben, auch die Eier kennen zu lernen. Versucht zuerst, einige Nester zu finden, die in der Nähe eures Hauses sind. Einige sind so gut verborgen, daß ihr darauf achten müßt, wo die alten Vögel ein- und ausgehen, ehe ihr sie finden werdet. Andere, wie die Nester von Krähen, Elstern und Dohlen, sind leicht zu sehen, aber nicht leicht zu erreichen. Nimm die Eier nicht aus! Aus jedem wird sich ein glücklicher kleiner Vogel entwickeln, und wenn du das Ei nach Hause tragen wolltest, würde es nur zerbrechen. Euer Lehrer wird wahrscheinlich in seiner Sammlung von jeder Art eins haben, das genügen wird, um es der Klasse manches Jahr lang zu zeigen. Aber sieh dir die Eier im Neste aufmerksam an. Dann wirst du sie wiedererkennen, wenn du sie irgendwo wiederfindest. Zähle, wie viele es sind, und achte darauf, ob später noch mehr gelegt werden. Dann berechne, wie lange es dauert, bis die Eier ausgebrütet sind, nachdem das letzte gelegt worden ist. Ihr werdet finden, daß das Brüten bei kleinen Vögeln 14 Tage, bei Krähen und Tauben einige Tage länger dauert. Dann könnt ihr das Füttern der Jungen beobachten, über die wir in den beiden nächsten Lektionen sprechen wollen. Es ist besser, die Eier gar nicht zu berühren; denn einige Vögel, wie die Holztaube, werden das Nest sofort verlassen, wenn die Eier angefaßt worden sind. Andere Vögel sind nicht so eigen. Ein Naturforscher erzählt, daß er als Knabe die Nester von Regenpfeifern aufsuchte und sich damit vergnügte, das breite Ende der Eier in die Mitte des Nestes zu drehen. Sobald die ordentliche Mutter zurückkam, drehte sie die Eier stets wieder mit der Spitze nach der Mitte hin. Der junge Vogel kriecht immer am breiten Ende aus, und so gibt ihnen die Lage nach außen mehr Platz, wenn sie auskommen. [Illustration: Buchfink mit Nest, oben das Weibchen. IV. 2. ] Wenn ihr eine Taxushecke im Garten habt, so werdet ihr vielleicht ein Drosselnest in ihr finden mit 4 oder 6 schönen blauen Eiern darin, ungefähr einen Zoll lang und mit schwarzen Flecken am breiten Ende (siehe bunte Tafel I). Die Drossel-Mutter wird euch tüchtig auszanken und vielleicht das Nest nicht verlassen; so müßt ihr den Augenblick wahrnehmen, wenn sie fort ist. Ihr findet auch vielleicht ein Amselnest in der Nähe. Ihr könnt es leicht vom Drosselnest unterscheiden, da es mit feinem Gras ausgepolstert und nicht so hart im Innern ist. Die Eier sind grünlich mit rotbraunen Flecken. Die Misteldrossel baut ihr Nest gewöhnlich in einen Baum und legt lichtgraugrünliche Eier, die rötlichbraun und hellila gefleckt sind. Der Buchfink nistet gern in der Nähe der Häuser oder in den Apfelbäumen des Obstgartens; und ein Dompfaffenpaar baut vielleicht sein Nest im Efeu der alten Gartenmauer, obwohl sie sehr scheue Vögel sind. Die Eier des Finken sind von einer grünlichen Farbe mit bräunlichen Flecken (siehe bunte Tafel II). Sie sind ungefähr ein Drittel so groß wie die Eier der Drossel. Die des Dompfaffen sind hellblau mit braunen Flecken. Seid vorsichtig, wenn ihr in das Nest des Dompfaffen sehen wollt. Sollte auch das Weibchen still sitzen bleiben, so wird das Männchen doch zornig werden und es vielleicht veranlassen, vom Neste zu gehen, sobald es euch sieht. Ihr müßt eine Leiter haben, wenn ihr in ein Nest der Hausschwalbe sehen wollt, denn sie bauen unter der Dachtraufe, und wenn ihr nun ein wenig von dem Neste abreißt und hineinblickt, so vergewissert euch, daß ihr die rechten Eier zu sehen bekommt; denn Sperlinge pflegen oft Schwalbennester einzunehmen und ihre Eier hineinzulegen. Man kann dies leicht herausfinden, wenn man aufpaßt, was für ein Vogel in das Nest hineinfliegt. Aber wenn dies nicht möglich ist, so muß man nach der Farbe der Eier urteilen. Das Ei der Hausschwalbe ist weiß und nicht gefleckt. Das Ei eines Sperlings ist grau mit braunen Punkten. Wenn der Sperling sein eigenes Nest baut, so macht er es aus Stroh oder Heu und polstert es mit Federn aus. Es enthält 5 oder 6 Eier. Es ist leichter, in das Nest einer Rauchschwalbe hineinzusehen als in das einer Hausschwalbe, da das erstere oben offen und oft auf einem Balken im Stalle angebracht ist. Man wird ungefähr fünf weiße Eier mit dunkelroten Flecken darin finden. Beobachtet diese Nester sorgfältig! Wenn die Eier ausgebrütet sind, ist es hübsch zu sehen, wie die alten Schwalben ihre Jungen lehren, Fliegen zu fangen (siehe bunte Tafel V). Wir dürfen die Rotkehlchen nicht vergessen, obgleich ich annehme, daß ihr die Eier derselben kennt. Sie sind weiß mit hellroten Flecken, und man kann sie leicht finden, weil im Frühling Rotkehlchennester im Gebüsch lebender Zäune nicht selten sind. Meisennester findet man an allen möglichen sonderbaren Stellen, von einem Loch im Baume bis zu einem weggeworfenen Blumentopf. Man wird eine kleine Zahl weißer, rotgefleckter Eier darin finden. Das Weibchen wird zuerst mit dem Schnabel nach euch hacken, um euch zu verhindern, die Eier fortzunehmen. Aber in einigen Tagen wird es sich nicht mehr fürchten: die Meise ist ein mutiger kleiner Vogel. [Illustration: Eule, die ihre Jungen füttert. IV. 3. ] Ihr müßt selbst lernen, nach anderen Eiern zu suchen. In Scheunen wird man zuweilen die großen weißen Eier der Eule antreffen und manchmal sogar junge Vögel und Eier zusammen. Am Flußufer oder in Mauerlöchern kann man das Nest der Bachstelze finden; ihre Eier sind gelblich-weiß mit braunen Flecken. Die bläulichen Eier der Krähe fallen manchmal aus den Nestern heraus, und die Dohlen pflegen im Gemäuer alter Burgen und Türme zu brüten. Wenn man eine Zeitlang Nester und Eier gesucht hat, so wird man merken, wie schlau sie versteckt sind, sowohl was die Farbe als die Zeichnung anbetrifft. Wo man auch immer weiße Eier findet, wie die der Hausschwalbe, des Spechtes, des Eisvogels und der Taube, sind sie entweder ganz versteckt in einem Baumstamm oder einem tiefen Nest, oder sie befinden sich so hoch oben, daß man sie nicht erreichen kann. Die meisten anderen Eier sind gefleckt und haben eine graue, grüne oder bräunliche Farbe wie das Moos, die Blätter und die kleinen Zweige, aus denen das Nest besteht. Seht in jedem Nest, das ihr findet, nach, aus wie vielen Eiern Junge auskommen. Wählt euch jeder ein Nest zur Beobachtung aus und paßt auf, wer von euch die meisten jungen Vögel aufweisen kann. Lektion 5. Junge Vögel. Das Weibchen sitzt auf dem Neste und hält während der ganzen Zeit, wo die Jungen im Innern der Eier heranwachsen, diese warm. Es verläßt sie niemals, ausgenommen um sich einmal zu recken und um Nahrung zu holen. Manchmal brütet das Männchen, solange das Weibchen fort ist, oder es bringt Nahrung für das Weibchen herbei. Oft singt es ihm auch nur etwas vor. Das erste, was die kleinen Vögel für sich selbst tun, ist, daß sie aus dem Ei kriechen. Wenn sie soweit sind, kann man sie im Inneren „piep, piep“ rufen hören. Dann klopfen sie an das breite Ende des Eies mit einer kleinen hornigen Spitze, die vorn am Oberschnabel sitzt; die Schale platzt, und sie kriechen aus. Wenn man ein Küchlein fangen kann, sobald es aus dem Ei heraus ist, sieht man diese hornige Spitze. Aber man muß dabei schnell sein, denn ein Kücken ist ein sehr behender kleiner Vogel. Es läuft sofort, nachdem es ausgekrochen ist, umher und die Hornspitze fällt bald ab. Das nächste, was die Jungen tun, ist, daß sie den Schnabel öffnen und nach Futter schreien. Einige, wie die der Hühner, Enten und Rebhühner, sind schon beim Auskriechen ganz mit Flaumfedern bedeckt. Sie laufen umher und suchen sich allein Nahrung. Ihre Mutter sorgt für sie, und sie ducken sich unter ihre Flügel, wenn sie nach ihnen ruft. Andere, wie die der Tauben, der Sperlinge und der Drosseln sind nackt, blind und hilflos, wenn sie ausgebrütet sind. Sie können das Nest nicht verlassen, und die Alten müssen sie füttern. Wenn man Tauben in einem Käfig hält, oder wenn man zu einem Taubenschlage emporklettern kann, wo Tauben ihre Nester haben, so kann man sehr viel bei der Beobachtung junger Tauben lernen. An dem Tage, wo das Junge aus dem Ei kriecht, sind seine Augenlider fest geschlossen. Es hat nur einige Federbüschel auf seinem nackten Körper, und man kann seine fleischigen Flügel sehen und die Knochen fühlen. Faß es vorsichtig an und achte darauf, daß der Flügel drei Gelenke hat gerade wie ein Arm, eins an der Schulter dicht am Körper (_s_), eins am Ellbogen (_e_) und eins am Handgelenk (_w_). [Illustration: Knochen im Flügel eines Vogels. _s_ Schulter-, _e_ Ellbogen-, _w_ Handgelenk, _h_ Fingerknochen, _f_ Federkiele.] Liegt der junge Vogel im Neste, so zieht er den Ellbogen zurück und berührt die Schulter mit der Hand. Dann ist der Flügel geschlossen. Aber wenn man die Hand (_h_) sanft anfaßt und den Arm gerade zieht, dann ist der Flügel geöffnet. So macht es der Vogel auch, wenn er seine Flügel streckt, um zu fliegen. Nun beobachte die Jungen Tag für Tag. Allmählich bedeckt sich der ganze Körper mit kleinen Höckern. Diese sinken dann in der Mitte ein und einige Federn kommen hervor. Die ersten Federn sind ganz schlaff. Die kleinen Federstrahlen wachsen um den Schaft herum wie Haare am Schwanze der Katze. Dies sind die Flaumfedern oder Daunen. Eine junge Taube hat nicht viel davon. [Illustration: Junge Vögel. 1. Rebhuhn. 2. Turmfalke. 3. Taube.] Die nächsten Federn sind ganz anders. Sie sind flach und viel steifer. Die Federstrahlen wachsen nur an zwei Seiten des Schaftes. Sie sind gefärbt, und man kann nun sehen, ob die Taube weiß oder farbig werden wird. Es sind dies die Deckfedern, die bei den meisten Vögeln so schön sind. Sie wachsen nicht am ganzen Körper des Vogels. Wenn man die Federn eines toten Vogels zurückschiebt, so wird man sehen, daß sie nur an gewissen Stellen wachsen und den übrigen Körper mit bedecken. Inzwischen sind auch die langen Flügel- und Schwanzfedern gewachsen. Die für die Spitze des Flügels bestimmten wachsen an der Hand, die für den Rand des Flügels auf dem Arm zwischen Handgelenk und Ellbogen und über diesen stehen die kleinen Federn wie Ziegeln auf dem Dache und wachsen bis dicht an die Schulter heran, um den Flügel rund und fest zu machen. [Illustration: Die Federn des Flügels. _s_ Schulter. _e_ Ellbogen. _w_ Handgelenk.] Befühle eine der langen Schwungfedern. Sie hat einen starken Kiel in der Mitte, der nach dem Ende hin spitz zuläuft, so daß die Feder sich biegen kann. Nun versuche, die Strahlen auseinander zu ziehen. Du wirst finden, daß sie zusammenkleben, als ob sie geleimt wären. Dies kommt daher, daß sie winzige Häkchen haben, durch die sie miteinander verbunden sind. Wenn nun die Flügel die Luft schlagen, so kann diese nicht durch die Federn hindurch, um so mehr als die schmale Seite einer jeden Feder über der breiten Seite der nächsten liegt. Um diese Zeit werden die jungen Tauben die Augen geöffnet haben. Aber obgleich sie jetzt stehen können, sind sie noch sehr schwach und erhalten alle ihre Nahrung von der Mutter. Sobald ungefähr ein Monat nach dem Auskriechen aus dem Ei verflossen ist, gehen sie an den Rand des Taubenhauses und beobachten die anderen Tauben. Von Zeit zu Zeit recken sie ihre Flügel und versuchen, sie zu gebrauchen. Wenn sie mit ihnen nach unten schlagen, so kann die Luft unter den Flügeln nicht entweichen und wird nach rückwärts getrieben, gerade wie das Wasser beim Rudern. Aber wenn die Flügel gehoben werden, stellen die Federn sich so, daß die Luft hindurch kann. Die Vögel erheben sich daher etwas, wenn sie mit den Flügeln schlagen und flattern zum nächsten Sims, und zuletzt fliegen sie auf den Erdboden und fangen an, Futter mit ihren Eltern aufzupicken. Vergleiche eine junge Taube und ein Kücken. Untersuche die Flaumfedern, die Deckfedern und die langen Schwungfedern. Lektion 6. Wie die Vögel ihre Jungen füttern. Es ist sehr interessant, in die Nester der Vögel zu sehen und zu beobachten, welche Vögel nackt und welche mit Flaumfedern bedeckt sind, welche sehen können, und welche blind sind. Am Flußufer kommen die kleinen Wasserhühner aus dem Ei wie schwarze flaumige Bälle mit roten Köpfen und schwimmen sofort mit ihrer Mutter umher. Aber Eisvögel schlüpfen nackt und hilflos aus dem Ei. Sie müssen warten, bis ihnen Federn gewachsen sind, ehe sie ihr Nest verlassen können, und inzwischen füttert sie ihre Mutter mit Fischen. Wenn ihr eine junge Eule in ihrem Neste in der Scheune betrachtet oder einen jungen Habicht, der aus dem Neste auf dem Baume gefallen ist, werdet ihr sehen, daß sie ganz blind und hilflos sind, obwohl sie schon Flaumfedern haben. Ihre Mütter müssen ihnen Insekten, Mäuse und junge Kaninchen bringen, bis sie erwachsen sind. Diejenigen von euch, die an der Küste wohnen, kennen die Möwen, welche auf die See hinausfliegen und auf den Wellen schwimmen. Im Frühling und Anfang Sommer kann man junge Dreizehen-Möwen schreien hören; es klingt, als ob kleine Katzen auf den Klippen miauten. Sie rufen nach den Alten, die ihnen Nahrung bringen sollen (siehe bunte Tafel VIII). Denn obwohl diese jungen Möwen sehen können und mit Flaumfedern bedeckt sind, müssen sie doch sitzen und warten, bis sie stark und kräftig genug sind, weil sie hoch oben auf den Klippen zur Welt gekommen sind. Selbst dann können diese nur an den vorspringenden Rändern entlang kriechen, bis ihre Flügel ganz ausgewachsen sind. Sie sitzen da mit offenen Schnäbeln und schreien nach Futter, und die alten Möwen bringen Fische für sie. Die Sturmmöwe und die Silbermöwe legen ihre Eier gewöhnlich auf Inseln, und die Kleinen schwimmen umher, wenn sie nur erst einige Tage alt sind. Wohnt ihr aber weit weg von der See im Binnenlande, so werdet ihr euch damit vergnügen, die anderen Arten der Vögel zu betrachten, wie sie ihre Jungen in den Bäumen und Hecken füttern. Oft besorgt es das Weibchen allein, manchmal hilft das Männchen. Ein Naturforscher, der das Leben und Treiben vieler Vögel genau kennt, erzählt, daß er einmal beim Füttern geholfen hat. Er beobachtete eines Tages einen weiblichen Weidenlaubvogel (Weidenzeisig), der Nahrung für seine fünf Jungen in einem Nest unter einem Dornbusch herbeibrachte. Weidenzeisige sind kleine, sehr anmutige Vögel. Ihr Rücken und ihre Flügel sind dunkelolivengrün und ihre Brust ist gelblich-weiß. Die Mutter trug Raupen und Insekten herbei, ungefähr vier oder fünf alle fünf Minuten, und stopfte sie in die kleinen Schnäbel, die ihr hingestreckt wurden. Während sie arbeitete, flog das Männchen bald auf einen Zweig, bald auf einen anderen und sang ihr sein kunstloses Lied vor. Der Beobachter dachte, er könnte der kleinen Mutter helfen. Er sammelte einige grüne Raupen und legte sie auf den Rand des Nestes, während sie fort war. Dann kauerte er sich in einiger Entfernung nieder. Die Mutter flog bei ihrer Arbeit hin und her und sah nach ihm hin, wenn sie vorbeiflog, ohne daß er sich rührte. Endlich pickte sie die Raupen auf, die er herbeigebracht hatte und verteilte sie unter die kleinen Mäuler. Dann flog sie wieder fort, um mehr zu holen. Das kleine Vögelchen arbeitete den ganzen Tag lang und ruhte nur am Nachmittag eine halbe Stunde. Es brachte nicht nur Nahrung herbei, sondern reinigte auch das Nest nach jedem Fluge und machte alles rein und sauber. Ich denke, es wird sich sehr über den kleinen Haufen Insekten gefreut haben, den ihr Freund von Zeit zu Zeit in die Nähe des Nestes legte. Meisen sind dreiste, kleine Vögel, die man oft sehen kann, wie sie mit einem Insekt im Schnabel in ein Loch in der Mauer oder in einem Baume hineinfliegen und leer wieder herauskommen. Männchen und Weibchen füttern die Jungen gemeinschaftlich (siehe bunte Tafel IV). Sie fliegen zusammen aus und kommen zusammen zurück mit Raupen beladen, und wenn sie diese den Jungen gegeben haben, fliegen sie wieder fort, indem sie einander fröhlich zuzwitschern. Wir hatten einmal junge Rotkehlchen, die von drei Vögeln gefüttert wurden. Sie waren in der Hecke unseres Gartens geboren. Wir nannten den dritten Vogel den Onkel. Er arbeitete ebenso angestrengt wie die beiden anderen. Nach und nach flogen die alten Rotkehlchen fort. Aber die Jungen blieben den ganzen Sommer bei uns und pflegten um den Mittagstisch zu hüpfen und Krumen aufzulesen. Amseln füttern ihre Jungen mit großen Würmern, die sie in Stücke reißen, um sie dann unter sie zu verteilen. Die Elster sieht aus, als ob sie nichts mitbrächte; aber sie läßt das Futter aus ihrem Kropfe in den Schnabel der Jungen gleiten. Die Taube holt die Nahrung aus ihrem Kropfe in den Schnabel herauf, und die Jungen stecken ihre Schnäbel von der Seite hinein und nehmen die Nahrung auf. Die meisten alten Vögel füttern die Jungen noch einige Zeit lang, nachdem sie schon fliegen können. Man kann oft kleine Sperlinge oder Schwalben in einer Reihe auf einem Zweige sitzen sehen, während die Mutter das Futter in ihre Schnäbel stopft. Sie geht dabei ganz unparteiisch von einem zum andern, und jedes bekommt sein Teil der Reihe nach. Achte auf die Vögel, die ihre Jungen im Frühling füttern: Drosseln, Sperlinge, Rotkehlchen, Meisen. 1. Im Neste. 2. Auf den Zweigen sitzend. 3. Kleine Vögel, die einen jungen Kuckuck füttern. 4. Junge Taube, die von der Mutter gefüttert wird. Lektion 7. Wo schlafen die Vögel? Wo sind die Vögel in der Nacht? Am Tage sehen wir sie auf Feldern, auf Bäumen und in den Hecken. Sie suchen Nahrung in den Gärten, auf den Obstbäumen und im Walde. Aber am Abend, wenn die Sonne untergeht, hören wir sie singen, als ob sie „gute Nacht“ sagen wollten, und dann verschwinden sie. Nur die Nachtvögel sind nach Sonnenuntergang noch draußen. Eulen schreien und fliegen nach dem Dunkelwerden aus, Nachtigallen singen die ganze Nacht hindurch bei warmem Sommerwetter, und wenn Wiesenknarrer oder Wachtelkönige da sind, wird man ihren eintönigen Ruf „rerrp, rerrp“ noch lange hören, nachdem man sich zur Ruhe gelegt hat. Aber die anderen Vögel sind nirgends zu sehen. Wo sind sie? Es ist nicht leicht, sie zu finden, denn sie verstecken sich aus Furcht vor den Eulen, den Wieseln und Mardern und fliegen fort, wenn man in ihre Nähe kommt. Die kleinen Vögel schlafen hauptsächlich in den Hecken. Man wird überrascht sein, daß es so schwer ist, sie zu entdecken, selbst im Winter, wenn keine Blätter an den Bäumen sind; denn die sich kreuzenden Zweige und Äste verbergen sie gut. Keine Eule und kein Habicht würde imstande sein, einen Vogel in einer Weißdornhecke zu fassen. Aber wie halten sie sich auf den Zweigen, wenn sie schlafen? Würden wir versuchen, im Stehen zu schlafen, so würden wir umfallen. Denn unsere Muskeln würden schlaff werden, wir würden anfangen, mit dem Kopfe zu nicken, und die Knie würden unter uns nachgeben. Bei einem Vogel ist es anders. Er sitzt auf einem Zweige, den er mit seinen Krallen umspannt. Dann kauert er nieder und beugt dabei die Beine. Dadurch aber zieht ein Muskel im Kniegelenke die Muskeln der Zehen ganz fest zusammen, so daß seine Krallen sich eng um den Zweig schließen. Er kann sich nicht bewegen, bis er sich aufgerichtet, die Beine gestreckt und so die Krallen frei gemacht hat. Je fester er also schläft, desto enger umfaßt er den Zweig, und desto weniger wahrscheinlich ist es, daß er herunterfällt. Vögel schlafen draußen, sowohl im Sommer als auch im Winter, und sie haben eine sonderbare Decke, um sich warm zu halten. Sie besteht aus Luft. Wenn ein Vogel schlafen geht, steckt er den Kopf unter sein Gefieder und sträubt die Federn empor, so daß die Luft zwischen sie eindringt, besonders zwischen die weichen Daunen, die dicht am Körper wachsen. Diese Luft wird bald warm, und da sie nicht hinaus kann, verhütet sie, daß der warme Körper des Vogels von der Kälte durchdrungen wird. Bei schlechtem Wetter jedoch suchen die Vögel gern einen warmen Winkel auf, in dem sie schlafen können. Sperlinge, Meisen, Zaunkönige und andere kleine Vögel machen sich Löcher in Heu- oder Strohdiemen, die sie als Bett benutzen. Die Eule sucht Scheunen, Kirchtürme und bisweilen Baumlöcher auf, um sich warm zu halten. Die Blaumeise schläft gern unter einem Strohdach, und der Zaunkönig spürt oft alte Nester auf, in denen er sich mit seinesgleichen zusammendrängt, um sich zu wärmen. Schwalben und Segler brauchen sich nicht um die Kälte zu kümmern, denn sie fliegen bei Anbruch der kalten Jahreszeit nach dem Süden. Im Sommer sitzen sie auf den Scheunenbalken, und wenn man nach dem Dunkelwerden hineingeht, kann man sie infolge dieser Störung von einem Balken zum anderen flattern hören. Wilde Tauben ruhen in der Nacht in Nadelgehölzen und Habichte auf den Zweigen der höheren Bäume. Auch Fasanen ruhen auf den Bäumen des Waldes. Es ist sonderbar, daß sie uns immer mitteilen, wo sie zu Bett gehen; denn sie lassen ihren weittönenden Ruf „Kockkockkock“ erschallen, wenn sie sich zum Schlafen niederlassen. Die Rebhühner hingegen schlafen auf dem Erdboden in den Feldern. Sie liegen in einem Kreise mit den Köpfen nach außen und den Schwänzen nach innen. Der Vater schläft gewöhnlich in einiger Entfernung als Wache. Wenn nun ein Fuchs oder ein Wiesel versucht, sie im Schlafe zu fassen, so kann jedes, das wach ist und den Feind bemerkt, den übrigen das Alarmzeichen geben. [Illustration: Blaumeisen mit Jungen. IV. 4. ] Alle diese Vögel schlafen im Binnenlande in Wäldern und Feldern. Habt ihr aber Gelegenheit, einen Sommerabend an der Küste der See zuzubringen, und euch dort am Strande unter den hohen Klippen oder auf den Dünen niederlegt, so könnt ihr viele andere Vögel zur Nachtruhe nach Hause kommen sehen. Beim Sonnenuntergang kommen viele kleine Vögel von den umliegenden Feldern und lassen sich in den Büschen in den Klippen nieder. Zunächst kommen dann einige Dohlen, die zufällig in der Nähe der See wohnen, krächzend und einander über die Klippen jagend. Sie kriechen zur Nachtruhe in die darin befindlichen Höhlen und Löcher. Dann segeln einige große Kormorane oder Seeraben von der See aus heran mit einem Gefolge von Möwen und lassen sich auf den Vorsprüngen in halber Höhe der Klippen nieder. Einige krächzende Raben kommen vom Lande her und flattern hin und her, ehe auch sie ihr Ruheplätzchen aufsuchen. Die Uferschwalben verschwinden ebenfalls in den Löchern der Klippen und Dünen, und auch ein Raubvogel beschreibt vielleicht seine letzten Kreise in der Luft, um sich dann auf einen ruhigen Winkel herabzusenken. [Illustration: Fressende Kormorane.] Nach einiger Zeit hört dann das Schnattern und Krächzen auf, und beim Mondaufgange ist alles ruhig. Aber wenn man bei Mondschein auf die silberglänzende See hinaussieht, wird man bemerken, daß viele Möwen noch auf dem Wasser schwimmen, und vielleicht bleiben sie da die ganze Nacht hindurch. Beobachte die Vögel, wenn sie abends schlafen gehen und achte auf ihren Lieblingsaufenthalt. Lektion 8. Vogelnahrung im Sommer. Frühling und Sommer sind glückliche Zeiten für die Vögel. Da gibt es reichliche Nahrung für sie und ihre Kleinen. Laßt uns an einem schönen Sommermorgen ausgehen und die verschiedenen Vögel beim Fressen beobachten. Ihr werdet sie nicht alle an einem Tage sehen. Aber wenn ihr euch Mühe gebt, werdet ihr wohl imstande sein, die vorkommenden während des Sommers ausfindig zu machen. Dicht beim Hause findet man sicher Sperlinge, die Abfälle im Hofe aufpicken und Raupen und Spinnen von den Stachelbeerbüschen im Gemüsegarten abfressen. Denn der Sperling ist kein Leckermaul und frißt fast alles: vom Getreidekorn bis zum Fleischstückchen. Im Gemüsegarten kann man auch den Buchfinken sehen, wie er die Schalen von Samenkörnern mit seinem scharfen, kurzen Schnabel zerbricht. Es ist ihm einerlei, ob er sie sich von Unkräutern holt oder aus den Radieschen- und Kohlrübenbeeten, die wir gesäet haben. Trotzdem nützt er mehr, als er schadet, denn er vernichtet viel Kreuzkraut und Vogelmiere. Draußen in den Feldern läßt sich die kleine braune Lerche nieder, die hoch oben in der Luft gesungen hat, um in den Furchen nach Samen zu suchen, die der Pflug aufgewühlt hat. In der Nähe der Scheunen sieht man Finken und Goldammern Körner aufpicken. Alle diese Vögel leben hauptsächlich von Körnernahrung und haben kurze scharfe Schnäbel, mit denen sie die Samenschalen zerquetschen, obgleich sie oft auch Insekten fressen und ihre Jungen mit solchen füttern. Wenn sie uns auch zuweilen an einigen unserer Feldfrüchte Schaden zufügen, so sind sie der Hauptsache nach doch sehr nützlich, da sie das Unkraut nicht aufkommen lassen, denn sie fressen alle Samen, die sie finden. [Illustration: 1. Dompfaff (Körnerfresser). 2. Schwalbe (Insektenfresser). 3. Hänfling. 4. Lerche (Körner- und Insektenfresser).] Rauch-, Turm- und Hausschwalben haben ganz andere Schnäbel. Wenn ihr sie bei ihrem schnellen Fluge durch die Luft beobachtet, so werdet ihr sehen, daß sie die Schnäbel sehr weit öffnen können, um Fliegen und Mücken zu fangen. Sie haben schwache Beine und starke Flügel, denn sie fangen alle Nahrung im Fluge. Achtet darauf, wie nahe sie sich bei trübem Wetter am Boden halten. Dann fliegen die Insekten tief, und die Schwalben folgen ihnen. Aber an einem hellen sonnigen Tage fliegen die Insekten hoch in der Luft und infolgedessen die Schwalben auch. Jene große Drossel, die auf dem Rasen umherhüpft, ist ganz verschieden von den Schwalben. Sie hat starke Beine und Füße und einen langen, schmalen, rundlichen Schnabel. Sie nährt sich von Würmern und Schnecken im Sommer und von Beeren im Herbst. Sieh sie jetzt an! Sie hat die Füße fest auf den Rasen gestemmt und zieht mit aller Kraft an einem Wurme. Sie wird ihn bald aus der Erde heraus haben und ihn forttragen, um ihre Jungen damit zu füttern. Viele der kleineren Singvögel nähren sich nur von Insekten. Ihr habt sie sicher gern, es sind so niedliche kleine Dinger. Da ist zuerst die Bachstelze mit ihren schwarz und weißen Flügeln und ihrem langen Schwanze, der auf- und niederwippt, wenn sie im Grase nach Insekten jagt. Nicht weit davon ist ein kleiner Zaunkönig, der auf einem Rosenstrauche umherhüpft und Blattläuse und Raupen abpickt, die so viel Schaden anrichten. Auf einem Busch in der Nähe sitzt ein kleiner brauner Vogel mit graugesprenkelter Brust. Es ist der gemeine gefleckte oder graue Fliegenschnäpper. Sieh, wie still er sitzt! Dann schießt er plötzlich mit weit geöffnetem Schnabel in die Luft hinaus, schnappt zu und kehrt auf seinen Platz zurück. Er hat eine Fliege gefangen und wartet nun auf eine andere. [Illustration: Grauer Fliegenschnäpper.] Dann möchte ich, daß ihr einen anderen kleinen Vogel betrachtet, den ich liebe, weil er so hübsch und bunt ist. Es ist eine Blaumeise (siehe bunte Tafel IV), ein kleiner Vogel mit hellblauem Kopfe und ebensolchen Flügeln und gelber Brust. Er hängt mit dem Kopfe nach unten an dem Zweige eines Baumes und lauert auf Spinnen. Wenn er eine gefangen hat, fliegt er nach einem anderen Baume, und so erhascht er in kurzer Zeit ein sehr gutes Frühstück. Er ist ein mutiger kleiner Vogel, und im Winter kann man ihn während des Fütterns gut kennen lernen. Diese Vögel, wie die Drossel, die Bachstelze, der Fliegenschnäpper, der Zaunkönig und die Meise, sind uns sehr nützlich. Sie verzehren Schnecken und Larven, Raupen und Maden. Auch die Nachtigall und die Amsel nützen uns auf diese Weise und auch ein anderer Vogel, von dem ich möchte, daß ihr ihn kennen lernt. Es ist die Hecken-Braunelle, ein kleiner brauner Vogel mit bläulich-grauer Brust, der an den Hecken entlang flattert. Ihr habt ihn sicher schon gesehen. Er fängt ein kleines Insekt, fliegt ein Stückchen weiter und fängt ein zweites, um dann gerade vor euch aufzufliegen, wenn ihr auf dem Wege dahingeht. Ihr dürft ihn nicht mit dem Sperling verwechseln. Er ist ein ganz andersartiger Vogel; die Hecken-Braunelle ist ein Singvogel und singt sehr lieblich. Wir haben keine Zeit mehr, andere Vögel zu beobachten; aber wir müssen noch die Krähen ansehen, die nach Würmern und Larven auf den gepflügten Feldern Jagd machen, und wenn wir in die Nähe des Waldes kommen, beobachten wir vielleicht eine Waldschnepfe, die unter den Bäumen nach Würmern sucht. Sie fliegt mit einem lauten Schwirren davon, lange ehe wir in ihre Nähe kommen, und da sie dabei ein ängstliches Dack, Dack ausstößt, nehme ich an, daß es das Weibchen ist. Ihr Nest ist sicher nicht weit entfernt. Bei einem Spaziergange durch den Wald könnt ihr die kleinen Baumläufer sehen, wie sie an den Bäumen hinauf laufen und nach Insekten suchen, und der Specht läßt seine klebrige Zunge hervorschießen und klopft an die Bäume und Äste, während die Holztaube nach Hause fliegt, den Kropf voll von Hafer oder Erbsen zum Futter für ihre Jungen. Oder wenn ihr einen Spaziergang am Flußufer macht, seht ihr vielleicht den zierlichen Eisvogel herabschießen, um kleine Fische zu fangen, oder der ernste Reiher steht ganz still, bis sein Kopf plötzlich vorwärts schießt, und er einen großen Aal mit seinem Schnabel aus dem Wasser herauszieht. Viele solche Beobachtungen könnt ihr selbst machen. Das große Geheimnis ist, jeden Vogel, den ihr erblickt, aufmerksam anzusehen und etwas über ihn zu lernen. Beobachte die harten Schnäbel der Vögel, die Samen fressen -- Fink; den krummen Schnabel der Vögel, die Fleisch fressen -- Habicht; den weiten Schnabel der Vögel, die Insekten im Fluge fangen -- Schwalbe; den langen, schlanken Schnabel der Vögel, die unter dem Boden nach Nahrung suchen -- Waldschnepfe. Lektion 9. Herbstwanderungen. Sobald der Sommer vorbei ist, gibt es nicht mehr so viele Nahrung für die Vögel, und einige fangen an, fortzuziehen. Diejenigen, welche von Insekten leben, gehen zuerst. Der Kuckuck ist meist schon gegen Ende Juli fort. Auch die Turmschwalben ziehen schon in den letzten Tagen des Juli von Mitteldeutschland fort, und gegen Mitte September, wenn die Rauch- und Hausschwalben nur noch wenige Fliegen, Mücken und Motten finden, machen auch diese sich für ihre lange Reise fertig. Durch scharfes Aufpassen könnt ihr unsere Schwalben gegen Mitte September sich auf einem Kirchturm oder dem Dache einer Scheune versammeln sehen; sie fliegen dann zusammen fort und lassen sich in der Nacht auf Bäumen zur Ruhe nieder. Dies tun sie niemals im Sommer. Da schlafen sie auf den Balken einer Scheune oder unter irgend einer Dachtraufe und halten sich immer in der Nähe der Häuser. Auch ehe sie im Herbst fortziehen, sammeln sie sich meist in der Nähe menschlicher Wohnstätten, z. B. gern in langen Reihen auf Telegraphendrähten. [Illustration: Wegzug der Schwalben.] [Illustration: Hausschwalbe (unten); Rauchschwalbe, ein Junges fütternd. IV. 5. ] In der Frühe eines Morgens verschwinden sie dann alle. Sie fliegen in großen Scharen, Hunderte von Meilen weit nach Afrika, wo sie den ganzen Winter hindurch warmes Wetter und Insekten haben. Ihr werdet sie vor April des nächsten Jahres nicht wieder sehen. Die kleinen Fliegenschnäpper und die Nachtigallen ziehen ungefähr um dieselbe Zeit fort wie die Schwalben, und der kleine Weidenzeisig geht im Oktober. Die meisten Bachstelzen und Rotkehlchen verlassen uns auch; aber oftmals versuchen einige, bei uns zu überwintern. Es ist sehr interessant, die verschiedenen Vögel zu beobachten und aufzupassen, wann sie kommen und gehen, und ob man viele oder wenige von derselben Art findet. Man wird bemerken, daß im Winter die kleinen Vögel in Scharen umherfliegen, anstatt allein oder zu Paaren zu bleiben wie im Sommer, wenn sie ihre Nester und ihre Familien haben. Vom September an kann man sehr viele Lerchen zusammen sehen. Manchmal sieht man nur männliche Finken zusammen und ebenso die weiblichen für sich allein. Häufig gesellen sich zu den Finken noch verwandte Körnerfresser, wie Grünfinken, Stieglitze und Goldammern. Sie suchen nach Samen und schlafen nachts auf dem Erdboden oder in Büschen. Aber die Dompfaffen mit ihren blauschwarzen Flügeln und der breiten roten Brust halten nur in kleinen Scharen zusammen und fliegen in einer Linie, einer hinter dem andern, an den Hecken entlang. Diese Scharen verschiedener Vögel fliegen munter von einem Felde zum andern; sie halten zusammen oder zerstreuen sich zuweilen auf ihrer Suche nach Futter. Nachdem viele unserer Zugvögel nach dem sonnigen Süden weggeflogen sind, kommen andere Vögel aus noch kälteren Ländern zu uns. Zunächst erscheinen Krammetsvögel, die aber bloß durchziehen. Sie fliegen in Scharen von 40-50 Stück, wirbeln in der Luft umher und setzen sich dann in Ebereschen- oder Holunderbüsche, um Beeren zu fressen oder suchen Würmer und Sämereien auf dem Boden. Es sind zierliche graue Vögel mit rotbraunen Schwingen und gesprenkelter Brust. Leider kann man sie selten nahe genug beobachten; denn sie sind sehr scheu. Bei dem leisesten Geräusch fliegen sie sofort auf und sind über das Gebüsch hinweg verschwunden, um an einem andern Orte weiter nach Futter zu suchen. Sie ziehen meist noch weiter nach Süden und kehren im Frühjahr nach den nördlichen Ländern zurück, wo sie brüten. Die meisten unserer Stare ziehen auch nach Süden und vereinigen sich dazu im Herbste in gewaltigen Schwärmen, die wie kleine dunkle Wolken am Horizont erscheinen. Zu uns kommen dann aus Rußlands Norden die grauen Nebelkrähen, die sich zwischen unsere schwarzen Saat- und Rabenkrähen mischen. In sehr strengen Wintern können wir zuweilen Vögel aus den nördlichsten Gegenden Schwedens und Rußlands bei uns beobachten, wie z. B. die Seidenschwänze, Tannenhäher und Schneeammern, die aber schon im Februar, sobald das Wetter gelinder wird, wieder dem hohen Norden zuwandern. Wenn so die Singvögel im Winter verschwunden sind, kannst du nach allen diesen andern Vögeln ausschauen und beobachten, was sie fressen, und wo sie schlafen. Stelle auch fest, wann du sie zuerst gesehen, und wann die letzten von ihnen wieder weggezogen sind. Der kleine Zaunkönig und die Amsel aber singen das ganze Jahr hindurch, auch im Winter, sobald das Wetter mild ist. Stelle eine Liste der Zugvögel auf, die du im Winter nicht siehst. Schreibe alle Vögel auf, die im Winter bei uns sind und im Frühjahre wegziehen. Fertige eine Liste derjenigen Vögel an, die du das ganze Jahr über siehst. Lektion 10. Vogelfutter im Winter. Wenn Weihnachten vorbei ist, und die wirkliche Winterkälte beginnt, haben die armen kleinen Vögel oft eine harte Zeit. So lange das Wetter mild ist, pickt die Drossel die Larven und Schnecken aus ihrem Versteck in den Mauern und Zäunen. Das Rotkehlchen und der Zaunkönig fliegen geschäftig umher und suchen nach Samen und Insekten. Die kleinen Bachstelzen laufen mit den Schwänzen wippend über den Rasen und suchen eine einzelne Larve oder einen letzten Käfer zu finden. Im Walde jagt der Baumläufer nach Spinnen und Insekteneiern in der Rinde der Bäume, und die Eichelhäher und Hohltauben suchen Nahrung unter den Buchen. Aber beim Eintreten von hartem Froste sehen die Vögel sehr traurig aus. Die Lerchen und Hänflinge ducken sich in die Furchen der Kornfelder, um sich zu wärmen. Die Drosseln fliegen von Baum zu Baum und suchen die letzten Beeren ab. Die Finken und Goldammern fliegen um die Getreideschober der Landleute, um einige Weizen- oder Haferkörner oder etwas Grassamen zu erwischen. Die Wacholderdrosseln wandern traurig in Scharen umher. Die Krähen, Dohlen und Elstern fliegen kreischend und krächzend von Feld zu Feld und suchen eine Stelle, wo der Wind den Schnee fortgeweht hat, so daß sie in den Furchen picken können. Der Kiebitz, den man an der Federhaube erkennen kann, die auf seinem Kopfe steht, fliegt, traurig sein Kiwitt, Kiwitt rufend, im Herbste in Scharen auf die frischgepflügten Felder und wendet sich dann immer mehr dem warmen Süden zu, wo der Winter keine Schnee- und Eisdecke über Feld und Sumpf legt. [Illustration: Stare bei Schnee.] Man wird traurig, wenn man darüber nachdenkt, wie viele kleine Vögel verhungern. Die Kälte schadet ihnen nicht so viel, denn, wie ihr wißt, hält die Luft unter den Federn sie warm. Aber in einem strengen Winter sterben sie oft aus Mangel an Nahrung. Wenn man ein totes Rotkehlchen oder einen Star, der im Herbst nicht rechtzeitig wegzog, oder eine Krähe nach einem langen Froste aufhebt, so wird man finden, daß die Knochen nur noch mit Haut und Federn bedeckt sind. Das Fleisch ist fast gänzlich verschwunden. Da ist es höchste Zeit, freundlich gegen die kleinen Vögel zu sein, die euch den ganzen Sommer durch ihren Gesang erfreut haben. Damals waren sie nützlich, indem sie Raupen, Larven, Drahtwürmer, Maden und Schnecken vertilgten und das Unkraut dadurch niederhielten, daß sie dessen Samen fraßen. Jetzt kannst du sie eine kurze Zeitlang füttern, bis Frost und Schnee vorbei sind. Auf diese Weise wird man sehr viele Vögel kennen lernen, und man braucht ihnen nur etwas Abfall zu geben, den man sehr gut entbehren kann. Einige Vögel lieben, wie ihr euch erinnern werdet, Samen, Krumen und grüne Nahrung. Andere, die im Sommer von Insekten leben, werden Knorpel und etwas Fett vorziehen. Man muß also jeden Abfall von den Mahlzeiten aufheben -- Brotkrusten, Krumen, kalte Kartoffeln und Kartoffelschalen. Man kann die Mutter bitten, Pellkartoffeln zu kochen, deren Schale die Vögel lieben. Vielleicht kann man auch Kohlblätter, Abfall von Äpfeln und etwas Fett aufheben. Alles dies gibt eine gute Nahrung für die hungernden Vögel, wenn man es zusammenhackt und etwas heißes Wasser darübergießt. Und lebt man auf dem Lande, so kann man Getreidekörner in den Ställen zusammenfegen, ehe sie mit dem Dünger fortgeworfen werden. [Illustration: Fressende Vögel im Winter.] Dann fegt man den Schnee vor der Haustüre fort, streut das Futter aus und zieht sich zurück. Bald werden die Vögel herbeikommen, und in einigen Tagen werden sie schon dasitzen und auf ihr Frühstück warten, ehe man es ihnen bringt. Man darf auch nicht vergessen, eine Speckschwarte in einen Baum zu hängen, damit man die Meisen beobachten kann, wie sie mit dem Kopfe nach unten an dem Bindfaden hängen und an der Schwarte picken. Und wenn man einen Knochen mit etwas Fleisch daran aufhängt, so werden sich neben den Meisen auch zuweilen andere Kostgänger einfinden. Denkt dabei auch daran, daß die Vögel auch trinken müssen. Man gießt etwas Wasser in einen Napf, muß es aber bei Frostwetter öfters erneuern. Hat man aber einige Groschen für eine Kokosnuß übrig, so kann man sie in doppelter Weise benutzen. Säge sie in der Mitte durch und kratze alles Fleisch aus der einen Hälfte heraus. Bohre zwei Löcher in den Rand, hänge sie an einer durchgezogenen Schnur auf und gieße etwas Wasser hinein. Die Vögel werden sich auf den Rand setzen und trinken. Da sie die Nuß dabei in schwingende Bewegung setzen, so wird das Wasser nicht gefrieren. Dann hänge die andere Hälfte in derselben Weise auf, aber laß den Kern darin. Die Meisen werden daran picken und sich um die süße Nahrung streiten, bis alles verzehrt ist. Eine große Zahl von Vögeln wird herbeikommen: Finken, Sperlinge, Zaunkönige, Gold- und Grauammern, Haubenlerchen, Amseln, Dohlen, Krähen und viele andere. Dann kannst du viele von ihnen näher betrachten und dir ihre Unterschiede in Körperbau und Färbung einprägen. Selbst der so scheue Eichelhäher kommt im strengen Winter bis in die Gärten der Dörfer. So kann man die Vögel aus einer viel geringeren Entfernung beobachten als sonst, und im nächsten Sommer, wenn sie in den Bäumen singen, werden sie uns alte, gute Freunde sein. Macht eine Liste der Vögel, die im Winter zu euch kommen, um Futter zu holen. Lektion 11. Andere kleine Vögel. Es gibt noch viele andere kleine Vögel, die ihr vielleicht selbst ausfindig machen würdet, aber ich möchte euch doch von einigen, die interessant sind, erzählen. Da ist zuerst der Stieglitz, der uns so nützlich ist, weil er Distel- und Löwenzahnsamen frißt. Er baut ein hübsches kleines Nest aus feinen Wurzeln, Wolle und Pferdehaaren und polstert es oft mit dem weichen Flaum des Huflattichs aus, jener großen gelben Blume, die im Frühling blüht, und deren Fruchtknoten wie mit Federn besetzt ist. Der Stieglitz hat eine schönrote Stirn und Kehle und schwarze Flügel mit einem leuchtendgelben Spiegel und weißen Tupfen. Ihr könnt ihn leicht vom Dompfaffen unterscheiden, da seine Brust hellbraun ist, während der Dompfaff eine leuchtendrote Brust und grau und schwarze Flügel hat. Dann ist da der Hänfling mit roter Brust, braunen Flügeln und einem roten Fleck auf dem Kopfe. Die Hänflinge wechseln in den verschiedenen Jahreszeiten die Farbe. Im Winter ist die Brust grau und braun gestreift. Alle Vögel mausern sich, d. h. sie wechseln wenigstens einmal im Jahre ihre Federn. Die Männchen sind fast immer bunter gefärbt, wenn sie ihre Nester bauen. Man wird auch bemerken, daß die Weibchen kaum je so bunt sind wie die Männchen. Das hat wahrscheinlich seinen Grund darin, daß die brütenden Weibchen unscheinbar gefärbt sein müssen, um verborgen zu bleiben. Hänflinge sieht man im Winter in großen Scharen in Gesellschaft anderer Vögel. Abends fallen sie massenhaft in Sträucher und Büsche ein, um dort zu schlafen. Es ist traurig, daß Stieglitz und Hänfling gefangen und als Stubenvögel verkauft werden. Das trägt auch dazu bei, daß es lange nicht mehr so viele von diesen Singvögeln in Deutschland gibt, als früher vorhanden waren. Hoffentlich seht ihr auch einmal die Spechtmeise oder den Kleiber, einen kleinen Vogel mit graublauem Schnabel mit dunklerer Spitze, aschgraublauem Rücken und Flügeln und rötlich-rostgelber Brust. Man kann ihn oft in Obstgärten im Herbste sehen, wenn die Nüsse reif sind. Manchmal erblickt man ihn, wie er mit dem Kopfe nach unten an einem Nußbaum hinunterklettert. Er steckt die Nüsse in die Ritzen der Bäume und hämmert mit dem Schnabel darauf, bis die Schalen springen. Gelegentlich findet man auch einen kleinen Vorrat von Nüssen, den er am Fuße des Baumes versteckt hat. Er nährt sich auch von anderen Sachen außer Nüssen und Bucheckern und wird gern im Winter an einem Stückchen Speck picken, das man für ihn hinhängt. Die Mönchsgrasmücke oder den Plattmönch hört man eher, als daß man sie sieht. Es ist ein kleiner dunkelgrauer Vogel mit schwarzem Kopfe und hellgrauer Brust, der fast ebenso schön singt wie die Nachtigall. Er kommt im April nach Deutschland zurück, und wenn man gut aufpaßt, kann man ihn dann sein Lied üben hören. Er verbirgt sich in einem dichten Busche und beginnt sanft mit leiser Stimme, die Strophe fortwährend wiederholend, bis er Kraft gewinnt. In einigen Tagen ist seine Stimme fertig, und dann trillert und flötet er den ganzen langen Sommertag sein liebliches Lied, während er dabei von Busch zu Busch fliegt. Er frißt Insekten und Beeren und zieht 4-5 Junge groß in einem niedlichen Nest, das aus trockenem Gras und Spinngeweben gebaut und mit Pferdehaaren gepolstert ist. Dann zieht er im Oktober bis zum nächsten Frühling fort. Früher wurde er und noch mancher andere gute Sänger von Vogelstellern gefangen, aber jetzt ist der Fang aller nicht schädlichen Vögel durch das Vogelschutzgesetz streng verboten. [Illustration: Mönchsgrasmücke. (Plattmönch.)] Dann haben wir noch die Dorngrasmücke oder das große Weißkehlchen, das fast überall unter den Hecken umherschlüpft. Es ist ein braungrauer Vogel mit etwas Rot an den Spitzen der Federn und auf der Brust. Er hüpft und fliegt eine kleine Strecke wie die Heckenbraunelle unter fortwährendem Zwitschern und fliegt dabei oft immer höher und höher und singt um so lauter. Er kommt im Mai und zieht im Oktober auch nach dem Süden. Von den vielen kleinen Vögeln unserer Heimat sollen hier noch zwei genannt werden. Der eine ist der Steinschmätzer, ein kleiner aschgrauer Vogel mit schwarzbraunen Flügeln und rostfarbener Brust, der -- wie sein Name andeutet -- sich besonders gern in gebirgigen Gegenden aufhält. Doch kommt er auch in der Ebene überall vor, wo Steinbrüche, Weinberge und ähnliche Orte ihm in erster Linie gefallen. Dort hört man sein einfaches Lied, das er besonders gern von Stein- oder Erdhaufen herab ertönen läßt. Dabei führt er unablässig wippende und knicksende Bewegungen aus und fliegt unruhig hin und her. Der andere ist der gemeine Wasserstar oder die Wasseramsel, die im Bett schnell fließender Flüsse und Bäche auf den Steinen dahin hüpft. Sie frißt Insekten und Wasserschnecken. Der schwarzbraune Vogel ist nicht ganz so groß wie die Drossel und leicht an dem kurzen Schwanze und der schneeweißen Brust zu erkennen. Auch er führt unter Kopfnicken eigenartige, wippende Bewegungen mit dem Schwanze aus. Es ist kein Raum mehr da, um noch etwas über Elstern und Dohlen zu erzählen, aber wenn ihr welche in eurer Nachbarschaft habt, so werdet ihr sie schon kennen. Versucht die genannten kleinen Vögel in der Nachbarschaft zu finden und sucht ihre Nester und Eier kennen zu lernen. Lektion 12. Raubvögel. Raubvögel nennen wir die Vögel, die sich von kleineren Tieren, wie z. B. Kaninchen, Mäusen, Fröschen, Schlangen und auch von Vögeln, nähren. Die Hauptarten bei uns sind Adler, Falken, Habichte und Eulen. Wenn man in den bayrischen Bergen wohnt, bekommt man vielleicht einen Adler (siehe bunte Tafel VI) zu sehen. Aber im allgemeinen sieht man hauptsächlich Falken und Eulen. Ihr werdet sicher schon auf einem Spaziergange durch die Felder einen Vogel mit langen spitzen Flügeln und fächerförmigem Schwanz in der Luft haben schweben sehen. Es ist der Turmfalke. Seine Flügel schlagen die Luft so schnell, daß man kaum sehen kann, wie sie sich bewegen, und doch steht er ganz still auf derselben Stelle, was man Rütteln nennt. Seine hellen Augen sehen scharf auf die Erde herunter. Jetzt steigt er ein wenig höher und schwebt eine kurze Strecke weiter. Nun steht er wieder still auf einer Stelle, und plötzlich schießt er herab. Er hat eine Maus im Grase gesehen, und wenn er sich wieder erhebt, hat er sie in den Klauen. Landleute schießen wohl manchmal Turmfalken, weil sie meinen, daß sie junge Rebhühner und Hühner stehlen. Doch tun sie dies nur in der höchsten Not, wenn sie nichts anderes finden, denn ihre gewöhnliche Nahrung besteht in Mäusen, Fröschen, sowie in Heuschrecken und anderen Insekten. Sie stiften also mehr Nutzen als Schaden. Wenn du keine Gelegenheit hast, dir irgend einen Raubvogel lebendig oder tot anzusehen, so magst du auf den bunten Tafeln VI und VII betrachten, wie sich Raubvögel von anderen Vögeln unterscheiden. Sieh die langen Zehen und die scharfen Krallen des Adlers oder des Turmfalken an. Sie durchdringen die Haut eines jeden Tieres, das sie ergreifen. Der gekrümmte Schnabel ist sehr stark und hat scharfe Kanten, so daß er wie eine Schere schneidet. Der Oberschnabel ist spitz und ragt wie ein Haken über den unteren hinweg. Einige starke Hiebe mit dem grausamen Schnabel töten schnell die kleine Maus oder die größeren Tiere, die ganz verschlungen oder in Stücke gerissen werden. Nach einiger Zeit werden die haarige Haut und die Knochen in Ballen („Gewölle“ nennt man sie) ausgeworfen. Die Füße und Beine eines Raubvogels sind mit Schuppen bedeckt, so daß er in einem Kampfe durch Schnabelhiebe oder Bisse nicht leicht verletzt werden kann. [Illustration: Goldadler. IV. 6. ] Die Flügel des Turmfalken sind stark und spitz; er kann schnell fliegen oder sich in der Schwebe halten, wie es ihm gefällt. Er ist ungefähr so groß wie eine wilde Taube. Rücken und Flügel sind hellbraun, und der Schwanz ist grau mit einem schwarzen Querbande und weiß an der Spitze. Die langen Schwungfedern der Flügel sind schwarz, die Brust gelblich mit braunen, länglichen Flecken. Ein anderer gemeiner Falke ist der Sperber, welcher dunkelgraue Flügel hat und eine gelblichweiße Brust mit braunen Querstreifen. Er rüttelt nicht, sondern streicht an den Hecken entlang auf der Suche nach Vögeln und Mäusen. Er richtet sehr großen Schaden an, da er ein großer Räuber unter den Singvögeln und dem Nutzgeflügel ist. Aber er ist auch nützlich, indem er Mäuse und Insekten vernichtet und verhindert, daß die kleinen Vögel, die Korn fressen, zu zahlreich werden. Das Weibchen dieses Raubvogels ist größer als das Männchen. Die Eulen haben ebenso wie die Falken krumme Schnäbel und lange scharfe Krallen. Aber ihr Schnabel ist nicht so kräftig, und ihre Füße sind auch zum Klettern geeignet. Von ihren vier Zehen stehen drei nach vorn und eine nach hinten wie bei den meisten Vögeln, aber sie können die äußere Vorderzehe so drehen, daß dann zwei nach vorn und zwei nach hinten stehen wie beim Spechte. Achte auch auf den Unterschied in der Stellung der Augen. Ein Falke hat die Augen an den Seiten des Kopfes, aber die Eule hat sie vorn im Gesicht wie du und ich. Wenn sie also in der Dämmerung jagt, so kann sie alles, was in ihre Nähe kommt, genau betrachten. Sie kann die Pupille des Auges stark erweitern wie die Katze, um alles vorhandene Licht darin zu sammeln. Ihre Federn sind so weich und daunenartig, daß sie beim Fliegen kein Geräusch macht, auch hat sie große unter Federbüscheln verborgene Ohröffnungen, die durch ein Häutchen verschlossen werden können. Da dieses beim Fluge geöffnet wird, fängt das Ohr den Schall gut auf, und die Eule hört infolgedessen das leiseste Geräusch. Einige Eulen haben Federbüschel, die wie ein Katzenohr in die Höhe stehen. Die Eule, die man so oft ihr „hu, hu, hu, hu“ schreien hört, ist der Waldkauz. Er jagt am frühen Morgen und am späten Abend. Während des Tages versteckt er sich in Baumlöchern oder sitzt im Waldesdunkel dicht an einen Stamm geschmiegt. Wenn er ins Sonnenlicht getrieben wird, kann er nicht deutlich sehen und blinkt daher mit den Augen. Aber in der Dämmerung und im Mondlicht fliegt er geräuschlos an den Hecken hin und fängt Mäuse, Maulwürfe, Frösche und Vögel; er verschlingt die kleinen Tiere ganz und wirft Haut und Federn in kleinen Ballen (Gewölle) aus. [Illustration: Schleiereule (unten) und Turmfalke (oben). IV. 7. ] Die Schleiereule ist ein viel heller gefärbter Vogel als der Waldkauz. Ihr Rücken und ihre Flügel sind bräunlich und Brust und Kopf sind weißlich. Ihr Schrei ist ein widerlich kreischendes „Crüüüh“. Sie verbirgt sich am Tage in Scheunen und in Kirchtürmen und jagt in der Nacht; sie nährt sich hauptsächlich von Mäusen. Wenn sie am Tage herauskommt, necken sie Buchfinken und andere kleine Vögel, denn diese wissen, daß sie nicht gut sehen kann. Vergleiche Falke und Eule. Beachte die Wachshaut am oberen Teile des Schnabels, die alle Vögel haben. Sie ist bei den Eulen teilweise von Borsten bedeckt. Versuche Fuß und Schnabel des Adlers zu zeichnen (bunte Tafel VI und Abbildung Seite 60). Lektion 13. Saatkrähen und ihre Gefährten. „Geh’ und scheuche die Krähen von dem Felde, sie fressen allen Samen“, hörte ich eines Tages einen Bauer zu seinem Sohne sagen. Er hatte recht, denn er hatte den Samen nicht tief genug gesät, und die Krähen fraßen davon. Aber einige Zeit darauf zeigte ein anderer Landmann auf die Krähen in seinem Felde, wo das Getreide schön grün war, und sagte. „Sieh’, wie sie die jungen Haferschößlinge ausziehen.“ Und das taten sie auch. Aber wenn wir die Pflanzen ansahen, die sie herausgehackt hatten, fanden wir, daß jede in der Wurzel eine Stelle hatte, wo eine Larve gesessen hatte. Diesmal hatten die Krähen nützliche Arbeit geleistet. Drahtwürmer und Larven fressen die Wurzeln des Grases, des Korns und der Kohlrüben durch das ganze Feld hindurch ab. Töten die Krähen nur eine Anzahl derselben, so retten sie oft die ganze Ernte. In meiner Heimat gab es einmal eine Zeit, wo die Landleute eine Belohnung für Krähenköpfe aussetzten in dem Glauben, daß die Krähen den Feldern Schaden täten. So wurden viele Krähen in der Umgegend getötet. Aber es tat den Landleuten bald leid. In den folgenden drei Jahren wurden ihre Ernten durch Insekten und Larven stark geschädigt. Sie ließen nun die Krähen in Ruhe, damit sie die Insekten vertilgten. Ohne Zweifel sind die Saatkrähen in gewisser Weise schädlich, denn sie fressen Vogeleier, frisch gesätes Korn und grüne Walnüsse. Sie ziehen manchmal sogar Korn aus den Schobern, wenn sie Mangel an Nahrung leiden. Aber sie vernichten so viele Drahtwürmer und Larven, Schnecken, Maden und Insekten aller Arten, daß sie mehr Nutzen tun als Schaden anrichten. Ihr alle kennt den schwerfällig umherschwirrenden Maikäfer, der einem abends manchmal ins Gesicht fliegt. Aber vielleicht wißt ihr nicht, daß er, ehe er Flügel bekommt, drei oder vier Jahre lang in der Erde lebt und sich von den Wurzeln des Grases und des Korns nährt. Saatkrähen fressen diese Maikäferlarven, wo sie diese auch immer finden, und retten so unsere Ernten. Hoffentlich habt ihr Krähen in der Nähe. Es ist wirklich unterhaltend, sie zu beobachten. Während sie ihre großen Nester in die Astgabeln der Bäume bauen, machen sie sehr viel Lärm und Geschrei. Die männliche Krähe fängt an, Futter für das Weibchen zu holen, schon ehe sie die Eier legt, und füttert sie während der ganzen Brutzeit. Die alten Vögel füttern die Jungen, lange nachdem sie ausgebrütet sind. Wenn man aufpaßt, kann man sie mit offenem Schnabel auf das Futter wartend am Rande des Nestes sitzen sehen. Die Saatkrähen bauen ihre Nester gern kolonieartig auf hohen Bäumen in Gehölzen und gebrauchen sie Jahr für Jahr wieder. Sie leiden nicht, daß fremde Krähen sich ihnen anschließen. [Illustration: Saatkrähen am Neste.] Die Krähen bleiben nicht lange mehr in den Nestern, nachdem die Jungen flügge geworden sind. Im August und September ziehen sie oft zum Schlafen in Buchen- und Fichtenwälder und kommen vor dem Frühling nicht zu ihrem Horste zurück. Aber dann und wann sprechen sie beim Vorüberfliegen darin vor und sehen nach ihren Nestern. Die Rabenkrähen brüten -- ebenso wie die Nebelkrähen -- nicht gesellig wie die Saatkrähen. Sie leben paarweise und bauen ihre Nester meist in hohe Bäume in Wäldern weit von Häusern entfernt. Sie sind schädlicher als Saatkrähen, denn sie fressen junge Vögel, Tauben, Enten und Kücken. Man kann schon in einiger Entfernung die Rabenkrähe von der Saatkrähe unterscheiden, weil man im Sommer sehr selten mehr als zwei zusammen sieht. Wenn man sie in der Nähe erblickt, wird man sie bald unterscheiden lernen, weil die Saatkrähe, sobald sie ein Jahr alt ist, ein kahles weißliches Band an der Schnabelwurzel hat, wo die Rabenkrähe Federn trägt. Habt ihr jemals beobachtet, wie gravitätisch eine Saatkrähe über das Feld schreitet? Sie hüpft nicht wie eine Drossel oder ein Sperling, sondern setzt einen Fuß vor den anderen und macht dann und wann einen kleinen Sprung. Einige bleiben stets in der Nähe auf Bäumen sitzen, um bei Gefahr zu warnen, und wenn diese Wachen „Krah, Krah“ schreien, erhebt sich der ganze Schwarm. Sie fliegen mit langsamem Flügelschlage fort und fallen in ein benachbartes Feld ein. Ein Freund von mir, der in der Nähe eines Krähenhorstes wohnt, erzählt, daß er beobachtet habe, wie zwei Wachtkrähen jeden Morgen umherfliegen und die anderen aufwecken, und es ist sehr spaßig zu sehen, wie die faulen zuletzt in großer Eile herauskriechen, um noch zur rechten Zeit mit den anderen fortfliegen zu können. Obgleich Saatkrähen nie anderen Vögeln ihrer Art erlauben, sich zu ihnen zu gesellen, leben sie mit Dohlen in tiefer Eintracht zusammen und dulden auch zeitweise Stare unter sich. Eine Dohle bewegt sich ziemlich ebenso wie eine Krähe, obwohl sie ein lebhafterer Vogel ist. Sie ist kleiner und hat einen grauen Nacken. Der Star (siehe Seite 44) ist ein Wandervogel. Obgleich sein Kopf und Rücken schwarz sind, hat er doch namentlich im Frühling so viele helle Farben auf den Federspitzen, daß er nicht dunkel aussieht wie Saatkrähe und Dohle, sondern bunt und glänzend. [Illustration: Dohlen.] Es wundert mich, warum diese Vögel den Saatkrähen so oft folgen. Vielleicht weil die Krähe sehr scharf sehen kann und die Erde auf der Suche nach Nahrung mit ihrem langen Schnabel aufwühlt. Dohle und Star picken hier auf, was sie über der Erde finden, und so fällt für sie vielleicht etwas Nahrung ab, wenn die Krähe den Erdboden aufwühlt. Versuche eine Saatkrähe, eine Rabenkrähe, eine Dohle, einen Star, eine Elster und einen Häher zu beobachten, und zeige, wie man sie erkennen kann. Lektion 14. Vögel mit Schwimmfüßen. Außer den Vögeln, die auf dem Lande leben und sich dort ernähren, gibt es sehr viele, die hauptsächlich auf und an dem Wasser leben. Einige von diesen heißen „Watvögel“ und einige „Schwimmvögel“; sie haben mit Schwimmhäuten versehene Füße. Wir haben schon im Buche II von zwei Watvögeln gelesen, von dem grünfüßigen Wasserhuhn und dem Bläßhuhn. Heute wollen wir von den Schwimmvögeln sprechen. [Illustration: Vogelfüße. 1. Raubvogel (Adler). 2. Schwimmfuß (Gans). 3. Scharrfuß (Fasan). 4. Kletterfuß (Specht). 5. und 6. Sitzfuß (Drossel und Lerche).] Wenn man an der Küste wohnt, so kennt man die Möwen, die oft weit an den Flüssen hinauf fliegen. Die Möwen folgen den Flußläufen bis tief ins Binnenland hinein. So finden wir sie z. B. sehr häufig an den Hafenanlagen Hamburgs, wo sie selbst in der inneren Stadt an den Kanälen und Bassins der Alster, eines kleinen Nebenflusses der Elbe, nicht fehlen. Es gewährt einen lieblichen Anblick, wenn sie immer rundherum fliegen und auf das Futter warten, das ihnen die Leute zuweilen zuwerfen. Einige von euch haben vielleicht auch schon Kormorane (siehe S. 33) gesehen, große schwarze Vögel, die schwerfällig über die See hinfliegen, mit weit vorgestreckten langen Hälsen und schmalen Flügeln. Sie lassen sich dann auf dem Wasser nieder und tauchen plötzlich mit dem Kopfe voran unter; gleich darauf kommen sie mit einem Fisch im Schnabel herauf, den zu verschlingen sie oft längere Zeit gebrauchen. Wohnt man auf dem Lande in der Nähe eines großen Sees oder eines Teiches, so kann man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einen sonderbaren kleinen Schwimmvogel beobachten, den kleinen Steißfuß oder Zwergtaucher. Dies ist ein brauner Vogel mit schmalem Kopfe und dünnem Halse, der im Schilfe an den Ufern eines Teiches umherplätschert oder ruhig dahinschwimmt. Dann und wann taucht er nieder, um Wasserschnecken, Fische oder Wasserpflanzen heraufzuholen. Man muß sehr behutsam sein, wenn man in seine Nähe kommen will, denn er taucht beim geringsten Geräusch unter und kommt an einer weit entfernten Stelle, wo man ihn nicht mehr sehen kann, wieder herauf. Hat man aber diese mit Schwimmfüßen versehenen Vögel noch nicht gesehen, nicht einmal eine wilde Ente, so kennt doch jedes Kind die zahme Ente, die auf unseren Bauernhöfen gezüchtet wird. Unsere Enten wurden vor langer langer Zeit aus wilden Enten gezähmt und sind ihnen sehr ähnlich. Wir wollen sehen, was wir über sie lernen können. Seht sie einmal an, wie sie über den Hof watschelt. Ihre Füße haben zwischen den drei Vorderzehen eine Haut, die diese miteinander verbindet. Das heißt, sie ist mit Schwimmfüßen versehen. Nun achtet darauf, daß, wenn sie den Fuß aufhebt, die Haut sich wie ein Fächer zusammenfaltet, und daß sich dieselbe wieder ausbreitet, wenn sie den Fuß niedersetzt. Wenn sie den Teich erreicht, gleitet sie ins Wasser und beginnt zu paddeln, indem sie die Füße abwechselnd benutzt, gerade wie wir beim Gehen. In klarem Wasser kann man sehen, daß die Haut sich wie beim Gehen zusammenfaltet, wenn sie den Fuß vorwärts streckt, daß sie sich öffnet, wenn sie ihn zurückstößt und gegen das Wasser schlägt. Die Haut öffnet sich also und bildet eine Art Ruder, mit dem sie sich vorwärts treibt. Die Beine stehen weit hinten am Körper, so daß sie diese benutzen kann, um sich schnell hin und her zu drehen. Sie kann Kopf und Körper tief in das Wasser tauchen, um nach Wasserschnecken und Kaulquappen zu suchen, so daß fast nur der Schwanz noch heraussieht, während sie gleichzeitig weiterpaddelt. Dann achte darauf, wie leicht ihr Körper ist. Er schwimmt ganz auf dem Wasser. Dies kommt teils daher, daß eine Schicht von leichtem Fett unter ihrer Haut liegt, und teils davon, daß sie eine dichte Daunendecke unter den Federn trägt. Darin fängt sich sehr viel Luft, und diese macht sie leicht. [Illustration: Möwen mit Jungen. IV. 8. ] Wißt ihr auch, weshalb ihre Federn im Wasser nicht naß und zerzaust werden? Der Grund ist sehr sonderbar. Ihre äußeren Federn sind mit einem Fett versehen, das sie aus einer kleinen Drüse in der Nähe des Schwanzes nimmt. Seht sie an, wenn sie aus dem Wasser kommt. Sie drückt den Schnabel gegen den Schwanz und zieht dann die Federn durch den Schnabel. Wenn sie dieselben in dieser Weise eingefettet hat, so sind sie wasserdicht und halten die Nässe von ihrem Körper ab. [Illustration: _a_ Kopf des Erpels. _b_ Schnabel mit den Hornzähnchen am Rande.] Dann beobachtet sie beim Fressen. Sie watschelt gierig schlingend durch den Schmutz und wirft oft den Kopf in die Höhe, um größere Bissen, die sie gefunden hat, hinunterzuschlucken. Ihr Schnabel ist breit und flach. Der Oberschnabel endet in einer nach unten gebogenen Hornspitze, und weiter nach oben ist er mit einer weichen, nervenreichen Haut versehen. Damit fühlt die Ente, was sich an genießbaren Dingen im Schlamme und Schmutze findet. Die Ränder des Schnabels sind hornig und scharf und sowohl oben als unten mit dünnen Hornzähnchen besetzt. Wenn die Ente den Schnabel schließt, so passen diese Zähnchen ineinander und bilden eine Art Sieb. Mit dem scharfen Schnabel schneidet sie die Wasserpflanzen ab und tötet sie die Schnecken. Mit dem Sieb sondert sie den Schlamm von der Nahrung in ihrem Schnabel und stößt das Wasser mit der dicken Zunge hinaus. Gänse, Schwäne und alle wilden Enten haben Füße und Schnäbel wie die unserer zahmen Ente. Wilde Enten findet man in Seen und Flüssen. Der männliche Vogel heißt Enterich oder Erpel und ist ein sehr schöner Vogel. Kopf und Hals sind dunkel glänzend grün. Er trägt ein weißes Band um den Hals, und die Brust ist kastanienbraun gefärbt. Flügel und Rücken sind teilweise braun, teilweise grün. Die vier mittleren Federn seines Schwanzes sind glänzend schwarz und nach oben gebogen. Die anderen sind grau mit weißer Einfassung. Wenn der wilde Erpel sich im Juni mausert, wirft er dies schöne Gefieder ab und legt bis zum August ein braun-graues Kleid an wie das der weiblichen Ente. Dann fängt er wieder an, sich zu mausern und ist im Oktober bunt wie im Frühjahr. Kormorane und Möwen haben andere Schnäbel als die Enten; denn sie suchen nicht im Schlamm nach Nahrung. Ihre Schnäbel sind scharf und kräftig, zum Fischfange eingerichtet, und ihre Flügel sind lang. Der kleine Steißfuß dagegen hat kurze Flügel, da er hauptsächlich auf dem Wasser schwimmt. Sein Schnabel ist nicht sehr lang und an der Spitze nicht bezahnt. Die Füße sind ziemlich groß, aber die Schwimmhaut kleiner als bei den Enten. Es gibt noch eine Menge anderer Schwimmvögel. Versuche, noch einige aufzufinden. Untersuche eine tote Ente. Achte auf die Schwimmhaut, die Teile des Schnabels, die dicke Daunenschicht, die glänzenden fettigen Federn, die im Wasser nicht naß werden. Zeichne den Fuß der toten Vögel, die du findest. Lektion 15. Die Feinde der Vögel. Fast jeden Morgen, wenn ich erwache, höre ich einen sonderbaren Schrei wie „dack, dack, dack“ aus meinem Garten, und ich weiß, daß, wenn ich hinausgehe und mich umsehe, ich die Katze irgendwo entdecken werde. Manchmal stoßen alle Vögel zugleich denselben Schrei aus, und wenn die Katze sich auf dem Rasenplatz befindet, so habe ich schon gesehen, wie manche Vögel nach ihr herunterschießen und drohen, sie in den Rücken zu stoßen, und wieder emporsteigen, ehe sie sich umdrehen kann. Die Vögel wissen nämlich sehr gut, daß die Katze ihr Feind ist, und erheben bei ihrem Herannahen ein scheltendes Geschrei, besonders wenn sie Junge haben. Habt ihr wohl, wenn ihr behaglich im Bette liegt, schon einmal daran gedacht, wie viele Gefahren es für die kleinen Vögel draußen gibt? Die Eule, die an der Hecke umherstreift, sieht nach brütenden Weibchen und jungen Vögeln aus. Die Katze klimmt vielleicht am Baum empor und faßt mit ihren scharfen Krallen ins Nest. Wiesel und Iltis machen Jagd auf alle Vögel, die dicht am Erdboden oder selbst auf diejenigen, die in Bäumen schlafen, und Schlangen fressen gern Eier zum Frühstück und lieben sie ebenso sehr wie wir. Der Fuchs ist ein schlimmer Feind der am Boden lebenden Vögel. Rebhühner, Fasanen und Birkhühner fürchten den Fuchs bei Nacht ebenso sehr wie das Geflügel auf den Bauernhöfen, während bei Tage der Habicht der Schrecken aller Vögel ist. Die brütende Lerche duckt sich in ihr Nest in der Hoffnung, daß das Gras sie verbirgt; das Männchen sucht, wenn es singend in der Luft schwebt, dem Räuber durch schnelles Steigen und Fallen zu entgehen. Andere kleine Singvögel verstecken sich in die Büsche; Rebhühner suchen Deckung, und wilde Tauben verbergen sich im Walde, wenn ein Habicht in der Nähe ist. [Illustration: Wiesel auf der Jagd nach jungen Rotkehlchen.] Alle diese Feinde der Vögel müssen natürlicherweise diese umbringen, um sich Nahrung zu verschaffen, wie auch der Mensch Vögel tötet, um sie zu verzehren. Aber wir sollten nicht ihre Nester zerstören oder ihre Eier fortnehmen, oder sie, wie viele tun, in Netzen fangen, um sie in Käfige zu setzen oder ihre Federn als Schmuck zu verwenden. Viele Vögel, die vor dreißig Jahren noch ganz gewöhnlich waren, sind jetzt selten, weil große Mengen von Eiern und Vögeln vernichtet werden. Um dieser Verminderung Einhalt zu tun, ist im Jahre 1908 ein „Vogelschutzgesetz“ erlassen. Dieses verbietet nicht nur das Ausnehmen von Eiern und Töten der jungen Vögel, sondern auch das Zerstören und Ausheben von Nestern oder Brutstätten der Vögel. Nur Möwen- und Kiebitzeier dürfen eine kurze Zeit gesammelt werden. Ferner wird jede Art des Nachstellens und des Fangens von Vögeln mit Netzen, Schlingen, Leimruten oder anderen Fangapparaten nachdrücklichst verboten. Wenn an manchen Orten, wie z. B. Weinbergen, Obstgärten, Feldern und Schonungen Vögel sich in Scharen ansammeln und Schaden anrichten, so können die Eigentümer der Grundstücke sich der ungebetenen Gäste durch Scheuchen wehren; zum Töten mit Schußwaffen müssen sie sich zuvor Erlaubnis geben lassen. Einige wenige Vogelarten, die vorwiegend schädlich sind, stehen nicht unter dem Schutze dieses Gesetzes; dazu gehören Sperling, Würger, die Rabenarten, sowie Elster und Eichelhäher, die Wasserhühner, Reiher, Säger und die meisten Raubvögel, von denen aber Turmfalke, Bussard, Gabelweih, Adler, Eule und Kauz nicht verfolgt werden dürfen. Beobachtet die Vögel in Garten, Feld und Wald. Sucht herauszufinden, wo sie in der Nähe eines Hauses ihre Nester bauen, und sorgt dafür, daß sie nicht gestört werden. Wenn ihr am Morgen erwacht, lauscht auf ihren Gesang. Ihr werdet ihn bald so gut kennen, daß ihr an ihm hört, ob die Vögel sich glücklich fühlen oder ob irgend etwas sie erschreckt. Dann achtet darauf, wie nützlich sie sind durch das Vertilgen von Drahtwürmern, Maden, Schnecken und Larven. Ihr müßt die Vögel fortjagen, wenn ihr seht, daß sie Getreide oder Gemüsesamen fressen oder junge Knospen oder aufsprießendes Korn. Aber ihr könnt sie im Winter füttern, um sie euch zu Freunden zu machen, und könnt dann viel über ihre Lebensweise erfahren.